Katzen müssen jährlich geimpft
werden, so steht’s in den allermeisten Broschüren und Katzenbüchern.
Auch auf der Website des Bundesverbandes der Praktischen Tierärzte
wird das behauptet. Warum eigentlich? Und warum werden Menschen
nicht jedes Jahr geimpft? Schließlich haben Primaten und Kleinsäuger
doch ein ganz ähnliches Immunsystem.
Die Antwort: Katzen (und Hunde)
brauchen gegen Virusinfektionen gar nicht jährlich geimpft zu
werden. Die jährliche Auffrischung ist für die meisten Impfungen
wissenschaftlich nicht begründet – und sie war es auch nie. In den
USA wird darüber seit Jahren sehr offen diskutiert; vor allem aber
wurde darüber geforscht. Das alles mündete schließlich in neue
Impf-Richtlinien.
Positionen radikaler Impfgegner
werden im folgenden Text nicht berücksichtigt. Hier geht es
ausschließlich um die Forschungsergebnisse und Meinungen seriöser,
in der Fachwelt anerkannter Wissenschaftler.
1. Der Routine-Pieks: Risikobehaftet
und oft unnötig
Ausgelöst wurde die
wissenschaftliche Kritik an der herkömmlichen Impfpraxis durch zwei
Faktoren:
Erstens
wurden immer mehr gefährliche Impffolgen beobachtet: allergische
Reaktionen mit Erbrechen und Durchfall, Schockzustände (anaphylaktischer
Schock); das meist tödliche Impfsarkom der Katze (vakzine-assoziiertes
felines Sarkom), ein bösartiger Tumor, an dem nach Schätzungen in
den USA jährlich rund 22‘000 Katzen erkranken; ausserdem
Immunerkrankungen und anderes mehr.
Zweitens
haben sich einige US-Forscher einfach gefragt, weshalb Menschen nur
in Abständen von vielen Jahren geimpft werden (gegen manche
Krankheiten nur einmal im Leben, als Kind), Katzen und Hunde aber
jedes Jahr ihren Shot erhalten müssen. Eine vernünftige Begründung
dafür fanden sie nicht. Es steht in den Gebrauchsinformationen
(Beipackzetteln) zu den Veterinärimpfstoffen, und zwar als
"Empfehlung": Jährliche Wiederholung der Impfung wird "empfohlen".
Fakt ist: Wie lange der Schutz
nach einer Impfung tatsächlich anhält, wissen nicht einmal die
Impfstoff-Hersteller selbst, weil sie es nicht testen. Und wenn sie
es doch wissen sollten, so veröffentlichen sie diese Daten
jedenfalls nicht. Für die amtliche Zulassung eines Tierimpfstoffes (Vakzine)
muss die Dauer des Immunschutzes (duration of immunity, DOI) nicht
vom Hersteller getestet und nachgewiesen werden. Erst seit wenigen
Jahren wird (in den USA) für Neuzulassungen der Ein-Jahres-Zeitraum
untersucht; die maximale DOI muss jedoch auch heute nicht getestet
werden. Anders verhält es sich mit den Tollwut-Impfstoffen (in den
Staaten inzwischen auch mit ausgewiesener Drei-Jahres-Dauer
erhältlich). Für Tollwut-Vakzinen bestanden schon früher strengere
Regelungen, weil diese Krankheit auf den Menschen übertragbar ist,
für sie wurde bereits in der Vergangenheit die
Ein-Jahres-Wirksamkeit geprüft. Die Zulassungsbestimmungen für
Veterinärvakzinen sind in Europa und in den USA ziemlich ähnlich.
Auch in Deutschland werden keine Tests zur DOI verlangt, was der
Hersteller als Intervall für eine Auffrischung (Revakzinierung)
angibt, bleibt ihm überlassen.
Inhalt:
2. Dunkle Ursprünge des
Ein-Jahres-Schemas
Der Ursprung der
Ein-Jahres-Empfehlung auf den Beipackzetteln "ist mir nicht
bekannt", schreibt David R. Hustead, Mitarbeiter des
Pharmaunternehmens Fort Dodge, in dem Beitrag "Why do vaccine labels
say the funny things they do?" ("Warum stehen auf
Impfstoff-Beipackzetteln so komische Sachen?", erschienen 1999 in
dem Band "Veterinary Vaccines and Diagnostics"). "Leute, die älter
sind als ich, sagen mir, dass diese Empfehlung zunächst – auf der
Basis experimentellen Nachweises – auf Tollwut-Impfstoffe angewendet
und dann auf andere Produkte ausgeweitet wurde." In den Staaten
müssen für neue Produkte, wie erwähnt, nunmehr Ein-Jahres-Studien
durchgeführt werden. Für den Impfstoff-Verwender ist laut Hustead
jedoch nicht erkennbar, ob eine Ein-Jahres-Empfehlung auf dem
Beipackzettel tatsächlich auf entsprechenden Untersuchungen des
Herstellers beruht, denn diese sind eben nur für Neuzulassungen
vorgeschrieben. Und aus der Ein-Jahres-Empfehlung, sei sie nun durch
eine Studie fundiert oder nicht, geht schon gar nicht hervor, ob sie
das effizienteste oder beste Intervall für eine Auffrischung
darstellt. "Studien zur Bestimmung des besten
Revakzinierungsintervalls sind sehr komplex und gegenwärtig
ausserhalb der finanziellen Reichweite der Hersteller", so Husteads
aufschlussreiche Anmerkung.
Nach Auskunft eines Insiders ist
der Ursprung der Ein-Jahres-Empfehlung für die Revakzinierung in
Deutschland ebenso eigenartig wie in den Staaten. Die
Veterinärbehörden hätten für die Gültigkeit von Tollwut-Impfungen
"par ordre de moufti", also willkürlich, den Ein-Jahres-Zeitraum
festgelegt, und dieser sei dann eben einfach auf die anderen
Impfungen übertragen worden, die oft in Kombination mit der
Tollwut-Vakzine gegeben werden. Die Tollwut-Impfung sei der
"Taktgeber" für die anderen Impfungen gewesen.
Inhalt:
3. Impfen wir zuviel.
1995 stellte die Journalistin und
Tierärztin Dr. Carin A. Smith einer Reihe von Impf-Experten die
Frage: "Impfen wir zuviel?", und die Veterinärmediziner waren sich
im Grundsatz einig: Ja, es wird zuviel geimpft. (Journal of the
American Veterinary Medical Society, JAVMA, August 1995) Vor allem
kritisierten die Experten, dass es an wissenschaftlichen Grundlagen
für die jährliche Impfung mangelt. Außerdem würden viele Tiere ohne
reales Ansteckungsrisiko geimpft. Wegen der wachsenden Zahl
gravierender Nebenwirkungen könne man sich nicht mehr auf den
Standpunkt zurückziehen, dass die Impferei den Tieren zwar
vielleicht nicht nütze, aber jedenfalls nicht schade. Auch beim
Impfen müsse der ärztliche Grundsatz gelten: First do no harm, auf
deutsch: Ärztliches Handeln darf dem Patienten vor allem nicht
schaden (lateinisch: Primum nil nocere).
1997 schrieb
Professor Niels C. Pedersen von der University of California in
Davis: "Viele Veterinäre und eine noch grössere Zahl von
Patientenbesitzern bezweifeln zunehmend die medizinische Grundlage
für die routinemässigen jährlichen Impfungen der Haustiere, und das
mit Recht! Die Praxis ist nicht zu verteidigen, warum also sollen
wir darüber noch länger diskutieren oder das Thema ignorieren?" (Proceedings
of the American Animal Hospital Association, 1997)
Inhalt:
4. Forscher werden aktiv
Vor allem die immer
häufiger auftretenden Sarkomerkrankungen bei Katzen brachten die
Forschung auf Trab (Näheres dazu im Abschnitt "Impfsarkom –
Vorbeugung ist möglich"). US-Vakzinologen und –Virologen untersuchen
seit Anfang der 90er Jahre, wie lange der Immunschutz nach Impfungen
gegen Viruserkrankungen eigentlich hält, und haben herausgefunden:
Er hält viel länger als ein Jahr. Es zeigte sich auch, dass der
Immunschutz nach Auffrischungsimpfungen in den allermeisten Fällen
nicht signifikant ansteigt – die neue Impfung verpufft sozusagen.
Durch die vorhandene Immunität wird der Impfstoff unschädlich
gemacht, wie auch ein richtiger Erreger unschädlich gemacht würde.
Professor Ronald D.
Schultz von der Universität von Wisconsin untersuchte
Antikörpertiter von Katzen und Hunden, die Auffrischungsimpfungen (Revakzinierungen)
gegen verschiedene Viruskrankheiten erhalten hatten, und stellte
fest: Die Antikörpertiter zeigten keinen signifikanten Anstieg. Als
signifikant gilt ein Anstieg um mindestens das Vierfache. So erhöhte
sich in einer Gruppe von 106 Hunden, die gegen Parvovirose
revakziniert wurden, lediglich bei einem Tier der Antikörpertiter um
das Vierfache, und dieser Hund hatte zuvor einen sehr niedrigen
Titer (offenbar ein Impfversager). Auch Schultz stellt fest: "Die
Empfehlung zur jährlichen Auffrischung war nicht durch
wissenschaftlich fundierte Studien belegt, und man wird für viele
der gebräuchlichen Produkte in der Literatur auch keine
Veröffentlichungen finden, die die Notwendigkeit der jährlichen
Impfung nachweisen." (Veterinary Medicine, März 1998)
Inhalt:
5. Impfschutz hält
viele Jahre lang
Die für die
Katzenhalter wichtigsten Studien stammen von Fred W. Scott (Cornell
University) und seinen Mitarbeitern. Er untersuchte die Dauer des
Immunschutzes durch Impfungen gegen Katzenseuche (felines Parvovirus)
und Katzenschnupfen (Herpes- und Calicivirus) über einen Zeitraum
von bis zu 7,5 Jahren. Dabei wurde eine handelsübliche trivalente
Vakzine mit inaktivierten Viren verwendet, also ein
Dreifach-Impfstoff. Die Katzen erhielten als Welpen mit acht und mit
zwölf Wochen eine Grundimmunisierung und wurden danach nie wieder
geimpft. Sie wiesen noch siebeneinhalb Jahre später, als sie den
Erregern ausgesetzt wurden, einen guten Immunschutz auf. Der Schutz
gegen Katzenseuche erwies sich als praktisch hundertprozentig, der
Schutz gegen Herpes- und Calicivirus betrug 52, resp. 63 Prozent.
Die Schnupfen-Impfung verhinderte nicht vollständig die Erkrankung,
doch dies ist bei frisch vakzinierten oder revakzinierten Katzen
nicht anders. Diese Impfung kann die Ansteckung oft nicht
verhindern, sie mildert aber ganz entscheidend den
Krankheitsverlauf. In der ungeimpften Kontrollgruppe dieser Studie
erkrankten einige Tiere sehr schwer.
Scotts
Schlussfolgerung: "Die Impfstoffhersteller sollten ihre Vakzinen auf
die längere Dauer des Immunschutzes hin testen und in ihren
Empfehlungen auf dem Beipackzettel eine realistischere Dauer des
Immunschutzes angeben." (Feline Practice, Juli/August 1997; und
Journal of Veterinary Research, Mai 1999; verwendet wurde in dieser
Studie Fel-O-Vax von Fort Dodge Laboratories)
Inhalt:
6. Neues
offizielles Impfschema in den USA
Auf der Basis der
neueren Forschungsarbeiten haben die American Association of Feline
Practitioners (AAFP, Verband der praktischen Katzenärzte) und die
Academy of Feline Medicine (AFM, wissenschaftliche Vereinigung der
Katzenspezialisten) Ende 1997 ein neues Impfschema für Katzen
beschlossen. Es wird mittlerweile an vielen Veterinärkliniken von
US-Hochschulen angewendet. Die Praktiker brauchen, da es ihnen
direkt an den Geldbeutel geht, etwas länger, sich damit anzufreunden
(siehe Abschnitt "Widerstand gegen neues Impfschema"). Die neuen
Richtlinien unterscheiden zwischen core und non-core vaccinations,
also zwischen Kern- oder Hauptimpfungen und optionalen Impfungen,
und empfehlen nach der Grundimmunisierung im Welpenalter und einer
Auffrischung bei Erreichen des ersten Lebensjahres nur noch
dreijährige Impfintervalle für die Hauptimpfungen.
Der "Vaccination Report 1998", in
dem die neuen Richtlinien ausführlich begründet und dargelegt sind,
wurde 2000 aktualisiert. An den Empfehlungen zu verlängerten
Impfintervallen hat sich nichts geändert, der neue Report befasst
sich vor allem mit zusätzlichen Aspekten wie Tierarzthaftung und
Impfstoff-Beipackzetteln. In der Einführung wird noch einmal sehr
deutlich gesagt, worauf es beim Impfen vor allem ankommt, deshalb
daraus nun ein Abschnitt:
"Impfstoffe spielen eine wichtige
Rolle in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die meisten
Impfstoffe bewirken jedoch weder einen vollständigen Schutz gegen
Infektion oder Erkrankung, noch bewirken sie in allen Tieren einen
gleich hohen Schutz. Faktoren, die den Impfschutz in einem Tier
negativ beeinflussen können, sind: mütterliche Antikörper,
angeborene oder erworbene Immunschwächen, bestehende Krankheiten,
unzureichende Ernährung, abwehrschwächende Medikation und Stress (d.
h. zu dichte Population und schlechte Hygiene). Es sollte jede
Anstrengung unternommen werden, um sicherzustellen, dass die
Impflinge bei der Vakzinierung gesund sind. Weil die Impfung allein
die Tiere nicht vollständig vor Infektion und Erkrankung bewahrt,
sollten Umweltbedingungen mitbedacht und Kontakt mit Erregern
minimiert werden."
Und weiter schreibt die
Expertengruppe der AAFP/AFM:
"Die Hauptziele der Impfung
sind:
-
möglichst viele Individuen
einer Population, in der ein Risiko besteht, zu impfen,
-
jedes Tier nur so oft zu
impfen wie nötig und
-
nur gegen Erreger zu impfen,
für ein Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko vorliegt.
Kätzchen unter 16
Wochen sind allgemein empfänglicher für Infektionen als erwachsene
Tiere und entwickeln typischerweise schwerere Erkrankungen. Deshalb
stellen sie die Hauptzielgruppe für Impfungen dar. Die Störung durch
maternale Antikörper ist die Ursache dafür, dass manche Tiere nach
der Impfung nicht immunisiert sind, und das ist der Grund, weshalb
für Kätzchen unter 12 Wochen eine Serie von Impfungen nötig ist. Der
Impfbedarf erwachsener Katzen sollte mindestens einmal im Jahr
überprüft und, falls nötig, entsprechend der Risikoabwägung geändert
werden."
Inhalt:
Hauptimpfungen für
alle Katzen
Katzenseuche:
Grundimmunisierung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr,
danach Revakzinierung alle
drei Jahre.
Katzenschnupfen:
Grundimmunisierung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr,
danach Revakzinierung alle
drei Jahre.
Wichtig: Beim
Katzenschnupfen sollte nur gegen die Erreger Herpes- und Calicivirus
geimpft werden. Die Impfung gegen Chlamydien, die in
Schnupfen-Vakzinen oft mit enthalten ist, gilt als meistens
überflüssig. Chlamydien rufen keine lebensbedrohliche Erkrankung
hervor und sind normalerweise nur in Tierheimen oder Zuchten ein
Problem. Die Impfung bietet, wie bei Herpes- und Calicivirus, keinen
vollständigen oder nahezu vollständigen Schutz, es kann also
trotzdem zur Erkrankung kommen.
Anmerkung zum
Herpesvirus:
Herpesinfektionen können in Zuchten oder Tierheimen sehr hartnäckig
sein und immer wieder auftreten. Manche Experten, so zum Beispiel
Professor Marian Horzinek aus Utrecht, empfehlen, in solchen Fällen
in sehr kurzen Abständen dagegen zu impfen, alle vier bis sechs
Monate.
Dies hält Professor
Ronald D. Schultz aber für unsinnig. Warum, das soll hier
dargestellt werden, weil gelegentlich die Frage auftaucht, ob denn
das Drei-Jahres-Impfschema überhaupt auf Katzengruppen angewendet
werden kann, in denen gewisse Infektionen immer wieder auftreten,
weil die Immunabwehr der Tiere vermindert ist (vor allem durch
Dauerstress).
Schultz sagt: "Gegen
Herpes zweimal im Jahr zu impfen erscheint mir nutzlos, und es würde
die Gefahr von Immunerkrankungen erhöhen. Ironischerweise ist es so,
dass die Katzen, die ständig Viren ausscheiden, auch das Immunsystem
der Kontaktkatzen stimulieren; auf diese Weise ‚impfen‘ sie die
anderen Tiere. Dies ist Bestandteil der natürlichen Stimulation des
Immunsystems, die in einer geimpften Population dauernd stattfindet.
Ein Risiko besteht für Katzen, die nie geimpft wurden, für sehr
junge Katzen oder sehr alte Katzen oder auch für Katzen, deren
Immunabwehr ernsthaft geschwächt ist. Diese abwehrgeschwächten Tiere
sollte man, wenn möglich, isoliert halten, die normal gesunden,
geimpften Tiere dürften immun sein und entweder leicht oder gar
nicht an der Infektion erkranken" (Korrespondenz mit Professor
Schultz).
Anmerkung zum
Calicivirus: Das
Calicivirus zählt zu den Erregern, die in Zuchten, Tierheimen und
sonstigen dichten Katzenpopulationen Probleme bereiten – und das
trotz Impfung. Der Impfschutz könne lediglich die akute Form der
Erkrankung mildern, bekräftigte der US-Virologe Professor Niels
Pedersen im November 2000 auf dem einem Tierärzte-Kongress in
Düsseldorf. Typische Anzeichen einer akuten Calicivirus-Erkrankung
sind Hinken (wahrscheinlich, weil sich das Virus in Gelenken
einnistet) und Fieber. Kein Calici-Impfstoff verhindert den
anschliessenden Virusträger-Status oder schützt gegen solche
chronischen Krankheitsbilder wie schwere Geschwüre der Mundhöhle und
des Zahnfleischs. "Je mehr man impft, desto höher ist die Rate der
Virusträger", sagte Pedersen. "Das Vorkommen von Calicivirus-Trägern
ist am höchsten in stark geimpften Populationen und ist tatsächlich
seit Einführung dieser Impfung gestiegen." Bis zu 25 Prozent der
Katzen, die die akute Form der Krankheit durchlitten haben, scheiden
das Virus noch eine längere Zeit aus. Zum Glück bleiben die meisten
Calicivirus-Träger symptomlos.
Top:
Optionale Impfungen
(nur für Katzen mit
realem Ansteckungsrisiko)
Tollwut:
Erstimpfung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr, danach alle
drei Jahre Revakzinierung.
Tollwut-Impfungen an
Haustieren mit Freigang sind in den USA in vielen Bundesstaaten per
Gesetz vorgeschrieben. Da inzwischen Tollwut-Vakzinen mit erwiesenem
dreijährigem Schutz erhältlich sind, empfiehlt die AAFP auch hierfür
ein Drei-Jahres-Intervall, falls es die behördlichen Regelungen in
den einzelnen US-Bundesstaaten erlauben. Wo die jährliche
Tollwut-Impfung vorgeschrieben ist, soll auf die Behörden eingewirkt
werden, damit sie die Impfung mit den Drei-Jahres-Produkten
anerkennen. In Deutschland sind die Drei-Jahres-Vakzinen offenbar
noch nicht auf dem Markt, es gibt aber mindestens ein Produkt mit
ausgewiesenem zweijährigem Schutz. In den USA wurde ein
Ein-Jahres-Produkt zum Drei-Jahres-Produkt umdeklariert, nachdem man
seine Wirkungsdauer für diesen Zeitraum untersucht hatte. Das heisst,
die damit geimpften Tiere hatten auch schon vorher einen drei Jahre
dauernden Schutz, wurden also überflüssigerweise jährlich
revakziniert.
Da die Tollwut in
Deutschland sehr verbreitet war, ist diese Impfung auch bei uns sehr
häufig. Durch die Impfaktionen für Füchse ist die Fallzahl jedoch
stark zurückgegangen, so dass man die routinemässige Tollwutimpfung
an Freigängern vielleicht auch einmal überdenken könnte. Nach
Angaben des Scientific Veterinary Committee on Rabies der
Europäischen Union (ein offizielles Veterinärkomitee, das die
Ausbreitung von Tollwut innerhalb der Europäischen Union
untersuchte) ist die Anzahl der amtlich registrierten Tollwut-Fälle
zwischen 1986 und 1996 stark gesunken, und zwar sowohl bei Füchsen
und Nutztieren als auch bei Haustieren. In Deutschland verringerte
sich die Tollwut-Fallzahl bei Katzen und Hunden von 351 im Jahr 1986
auf 8 (acht!) im Jahr 1996. Tierärzte sollten das reale
Tollwut-Infektionsrisiko in ihrem Einzugsgebiet halbwegs einschätzen
können. Reine Wohnungskatzen benötigen diese Impfung jedenfalls
nicht. Vakziniert werden muss jedoch dann, wenn das Tier in eine
Tierpension oder ein Tierheim kommt, weil diese Einrichtungen darauf
bestehen. Wird eine Katze auf grenzüberschreitende Reisen
mitgenommen, kann je nach Einreiseland ebenfalls ein Impfnachweis
fällig werden.
Top:
Feline
Leukämievirus-Infektion:
Der Begriff "feline Leukämievirus-Infektion" wird fast immer
gleichbedeutend verwendet mit "Leukose", was jedoch nicht korrekt
ist. Leukose ist ein Sammelbegriff für eine Erkrankung, die durch
Tumore wie Lymphome, Leukämie, Fibrosarkome und andere
gekennzeichnet ist. Auch durch FeLV können Tumore entstehen, doch
bei den meisten Lymphomen etc. ist nicht FeLV die Ursache. Geimpft
werden kann nur gegen FeLV. – Die FeLV-Impfung wird im neuen
Impfschema der AAFP für alle Katzen empfohlen, die Freigang haben
oder mit Freigängern zusammenkommen können oder mit FeLV-positiven
Katzen, resp. Katzen von unklarem FeLV-Status zusammenleben. Geimpft
werden dürfen nur FeLV-negative Tiere, das heisst, die Impflinge
müssen vorher getestet werden. Laut AAFP-Impfplan wird im
Welpenalter eine Grundimmunisierung gegeben, danach soll jährlich
revakziniert werden.
Einige Fachleute
haben sich aber gegen die jährliche FeLV-Impfung ausgesprochen, weil
gesunde erwachsene Katzen eine gute körpereigene Abwehr gegen das
Virus besässen. Die AAFP hat die Empfehlung zur jährlichen
Nachimpfung selbst relativiert: Man rate nur zum
Ein-Jahres-Intervall, weil für FeLV-Vakzinen noch keine Studien über
die Dauer des Immunschutzes vorlägen. Professor Hans Lutz aus Zürich
hat auf dem Tierärztekongress in Düsseldorf folgende persönliche
Empfehlung gegeben: Katzen, bei denen ein Kontakt mit FeLV nicht
ausgeschlossen werden kann, sollten im Alter von 9 und zwölf Wochen
grundimmunisiert und danach bis zum 3. Lebensjahr jährlich gegen
FeLV geimpft werden, ab dann nicht mehr. Lutz wie auch andere
Kleintiervirologen betonen, dass Katzen gegen diesen Erreger eine
"Altersresistenz" besitzen, das heisst, ein erwachsenes Tier wird
mit dem Erreger besser fertig als ein Welpe.
Auf demselben
Kongress erläuterte Privatdozentin Dr. Katrin Hartmann aus München,
dass die Häufigkeit der FeLV-Infektion überall in Europa abnehme,
sie habe sich seit 1988/89 halbiert auf 2,8 Prozent, und zwar
infolge der Impfungen und infolge der Eliminierung infizierter
Katzen. Die Expertin räumte ein, dass "mit Sicherheit" viele Katzen
unnötig gegen FeLV geimpft würden, und empfahl, "restriktiver" zu
vakzinieren.
Daten zur Dauer des
Immunschutzes nach FeLV-Impfung sind inzwischen vorhanden. Professor
Lutz ermittelte in einer Studie mit geimpften Tieren, die mit
FeLV-Ausscheidern zusammenlebten, einen Immunschutz von über acht
Jahren. Die vakzinierten Katzen erhielten durch den Kontakt mit den
FeLV-Infizierten ständig ihren "Booster", ihre Impfauffrischung.
Vor diesem
Hintergrund erscheint die lebenslange jährliche FeLV-Impfung von
Freigängern doch fragwürdig. Durch Kontakt mit FeLV-Ausscheidern
bekommen sie ja ihren Booster, während zugleich ihr Immunsystem mit
den Jahren ohnehin immer besser mit dem Erreger fertig wird.
Laut AAFP sind nicht
alle FeLV-Impfstoffe gleichermaßen gut und wirksam. Die
Veterinärklinik der Universität von Colorado zum Beispiel präferiert
in ihrem Impfplan das Produkt Fel-O-Vax Lv-K von Fort Dodge.
Professor Marian Horzinek berichtete auf dem Düsseldorfer Kongress
von einer Blindstudie mit drei FeLV-Vakzinen. Am besten sei der
rekombinante Impfstoff eines französischen Herstellers gewesen (es
handelte sich um Virbac), gefolgt von der Fort-Dodge-Vakzine.
Feline
infektiöse Peritonitis:
Der Impfstoff gegen die gefürchtete FIP ist in den USA genauso wie
bei uns sehr in der Diskussion. Unabhängige Studien haben laut
US-Forschern gezeigt, dass die Wirksamkeit der Vakzine längst nicht
so gut ist, wie es die Hersteller behaupten. Die AAFP-Expertengruppe,
die die neuen Impfrichtlinien ausarbeitete, erzielte über die
FIP-Impfung keine Einigkeit. Die Mehrheit sprach sich dafür aus,
gegen FIP nur solche Katzen zu impfen, die ein spezielles Risiko
haben, zum Beispiel Katzen in Haushalten, wo FIP schon aufgetreten
ist. Über die tatsächliche Dauer des Immunschutzes nach dieser
Impfung ist mangels Studien noch nichts bekannt.
Das Coronavirus ist
sehr weit verbreitet, über 80 Prozent aller Katzen sollen es haben.
Es verursacht Durchfall, der für gewöhnlich rasch wieder abklingt.
Die allermeisten Corona-Träger bekommen keine FIP. "Es gibt keine
FIP-Epidemie, es ist immer eine sporadische Erkrankung", so
Professor Lutz. Bei der Mutation der Coronaviren zur gefährlichen
FIP-Variante ist wahrscheinlich immer Stress beteiligt, so dass es
sich wohl um ein "Immungeschehen" handelt, wie die Mediziner sagen.
Der klassische FIP-Ausbruch ereignet sich, wenn ein Kätzchen in ein
neues Zuhause gebracht wurde – auf einmal wird es sterbenskrank.
Doch auch bei älteren Katzen kann FIP ausbrechen.
Kann die Impfung
angesichts der hohen Durchseuchung mit Corona überhaupt etwas
bringen? Professor Niels Pedersen äusserte sich dazu in Düsseldorf,
und zwar sehr klar: "Die FIP-Impfung ist absolut harmlos, sie bringt
Geld, und sie hat keinen Sinn."
Top:
7. Impfsarkom –
Vorbeugung ist möglich
Das Impfsarkom oder
vakzine-assoziierte Fibrosarkom ist eine bösartige Krebsgeschwulst,
die ein paar Wochen oder Monate nach einer Impfung an der
Injektionsstelle als Knubbel unter dem Fell auftritt und sehr breit
wuchern kann. In der US-Veterinärmedizin wird der Zusammenhang von
Impfung und Sarkomentstehung bei Katzen nicht mehr ernsthaft
bezweifelt. In Deutschland neigt man dazu, das Thema
herunterzuspielen. Ein grosses veterinärmedizinisches Labor hat aber
schon 1998 in einem Rundschreiben an seine Kunden, die Tierärzte,
darauf hingewiesen, dass das Impfsarkom auch hierzulande immer
häufiger wird. Nach Auskunft des Labors stammten die
Sarkom-Gewebsproben, die es eingeschickt bekam, praktisch immer von
typischen Impfstellen. Auch der in Deutschland sehr bekannte
Veterinärmediziner Professor Dr. Marian Horzinek von der Universität
Utrecht schreibt in einem Info-Blatt für Tierärzte: "... eine
Umfrage bei Praktikern auf einem Kongress in Deutschland hat mir
bestätigt, dass fast alle Kollegen solche Tumoren am Injektionsort
ebenfalls gesehen haben". Dr. Herman Egberink, ein Mitarbeiter von
Horzinek, berichtete, dass man in den Niederlanden keine Sarkome zu
sehen bekommt: In den Niederlanden sind Tollwut und Leukose so wenig
verbreitet, dass Katzen üblicherweise dagegen nicht geimpft werden
(mündliche Auskunft von Egberink).
Nicht jedes Sarkom
bei Katzen ist ein Impfsarkom, aber doch so viele, dass man handeln
muss. Die Häufigkeit wird in der Forschungsliteratur mit 1 bis 3,6
Fällen pro 10‘000 Impfungen angegeben. Dieses Risiko ist nach
Meinung führender US-Veterinärmediziner nicht mehr tolerabel und
Grund genug, die bisherige Impfpraxis zu überdenken. An Impfsarkomen
erkranken vor allem Katzen, die schon eine ganze Reihe von
Jahresimpfungen erhalten haben.
Neben den
verlängerten Impfintervallen, wie sie die AAFP empfiehlt, lassen
sich noch weitere Vorsichtsmassnahmen treffen. Die
Vaccine-Associated Feline Sarcoma Task Force, eine Arbeitsgruppe von
Veterinär-Spezialisten für Tumorerkrankungen, Vakzinologie etc., hat
zur Vorbeugung Richtlinien erarbeitet.
-
Auf Mischspritzen
und multivalente Vakzinen sollte weitgehend verzichtet werden. Das
heisst, es sollen nicht alle Impfungen mit einer einzigen Spritze
und an einer einzigen Stelle gegeben werden, auch wenn es für
Tierarzt und Patient so am bequemsten ist und am schnellsten geht.
Je mehr Vakzinen auf einmal, desto höher das Sarkomrisiko.
-
Die Impfung gegen
Seuche und Schnupfen soll an der seitlichen Brustwand verabreicht
werden, die Impfung gegen Tollwut am rechten Hinterbein (rabies =
r = rechts) und die Impfung gegen Leukose am linken Hinterbein
(Leukose = l = links). Ein Bein kann zur Not amputiert werden, um
dem Tumorwachstum Einhalt zu gebieten. Katzen können auf drei
Beinen prima leben.
-
Zwischen den
Schultern sollte überhaupt nicht mehr geimpft werden, da man einen
Tumor dort nur sehr schlecht operieren kann.
Behandelt werden kann
das Impfsarkom bisher nur durch radikale Operation weit ins gesunde
Gewebe hinein. Nach der Operation treten in etwa 80 Prozent aller
Fälle Rezidive (also neues Tumorwachstum) auf. Das liege in erster
Linie an der Unterschätzung der Invasivität (Wucherungsneigung)
dieser Tumore durch den Tierarzt, elementare Grundregeln der
Tumorchirurgie würden missachtet, rügt Dr. Martin Kessler in der
Zeitschrift "Kleintiermedizin" (Juli-August 1999).
Top:
8. Vorsicht, Spritze!
Die meisten Sarkome
wurden nach Impfung gegen Tollwut und Leukose festgestellt, doch
auch Seuche- und Schnupfen-Impfung können eine Geschwulst
hervorrufen. Manche US-Spezialisten für Krebserkrankungen der
Kleintiere sprechen indessen gar nicht vom Impfsarkom, sondern vom
injection-site sarcoma, also Injektionsstellen-Sarkom, weil dieser
Tumor auch schon nach anderen Injektionen beobachtet wurde. So wurde
im Newsletter der Veterinary Cancer Society (Sommer 1999) ein
Sarkomfall nach Injektion des Flohmittels Lufenuron (Handelsname
Program) beschrieben. Französische Veterinäre beschrieben einen
Sarkom-Fall nach Injektion von Antibiotika.
Katzen reagieren auf
Injektionen viel empfindlicher als andere Kleintiere, sie zeigen
eine starke Neigung zu Zellentartung. Vor allem solche Katzen, die
nach Impfungen oder anderen Injektionen schon einmal einen Knubbel
entwickelt haben, sollten Spritzen nur dann bekommen, wenn sich der
Wirkstoff nicht anders applizieren lässt. Längst nicht jede Katze
entwickelt Knubbel nach (Impf-) Injektionen, und längst nicht jeder
Knubbel ist ein Sarkom. Aber wenn eine Katze dazu neigt, Knubbel zu
entwickeln, sollte man mit Injektionen vorsichtshalber sparsam
umgehen.
9. Noch viele Streitfragen
Unter den führenden
US-Kleintiervakzinologen gibt es darüber, dass nicht mehr so oft
geimpft werden sollte, großen Konsens. Sie unterstützen die
Bestrebungen der einschlägigen Fachverbände, die neuen
Impfrichtlinien zu verbreiten. Darüber hinaus jedoch gibt es viele
Meinungsverschiedenheiten in speziellen Fragen. So plädiert der eine
Impfexperte dafür, möglichst Impfstoffe mit lebenden Erregern zu
verwenden, weil diese wirksamer seien. Andere sagen, die Impfstoffe
aus abgetöteten Erregern seien heutzutage ebenfalls wirksam genug.
Dann gibt es wieder die Auffassung, dass man für die Atemwegsinfekte
statt Spritzen möglichst Impfstoffe verwenden sollte, die auf die
Nasenschleimhaut aufgebracht werden. Die Applikation am Angriffsort
des Erregers sei immer die effektivste.
Auch darüber, ob
multivalente Impfprodukte gut oder schlecht sind, gehen die
Meinungen auseinander. Für Hunde gibt es Impfprodukte mit bis zu
sieben verschiedenen Vakzinen darin, für Katzen mit bis zu fünf.
Kritiker der Mehrfach-Vakzinen verweisen auf Erfahrungen aus der
Humanmedizin: Multivalente Humanvakzinen hätten eine höhere Rate von
Nebenwirkungen als einzeln gegebene. Die bequeme Handhabung der
Multi-Vakzinen verführe auch dazu, mehr Impfungen zu geben, als das
Tier eigentlich benötige.
Einigkeit besteht
aber darüber, dass einige Impfungen, die von den Herstellern
propagiert werden, in vielen Fällen überflüssig sind und nicht
routinemäßig verabreicht werden sollten, so zum Beispiel Chlamydien
oder Microsporum canis bei der Katze oder Leptospirose und
Borreliose beim Hund. Anzumerken ist hier, dass Impfungen gegen
bakterielle Erkrankungen oder Chlamydien – falls sie tatsächlich
erforderlich sind, zum Beispiel in einem Tierheim – in kürzeren
Abständen gegeben werden müssen als die Impfungen gegen
Viruskrankheiten.
Top:
10. Widerstand gegen
neues Impfschema
In der Impfpraxis für
Katzen (und Hunde) ist, in den USA, gegenwärtig viel Bewegung. Die
neuen Richtlinien der AAFP sind vor allem an den
Hochschul-Veterinärkliniken inzwischen verbreitet. Die praktischen
Tierärzte dagegen tun sich teilweise schwer, von ihren gewohnten
Impfplänen abzugehen. Sie argumentieren, dass die Tiere ohne
jährlichen Impftermin nicht mehr regelmässig gecheckt würden. Dass
hierbei wirtschaftliche Motive mitschwingen, ist offensichtlich, man
befürchtet Patientenschwund. Nach einer Untersuchung von 1996 sind
Impfungen der grösste einzelne Einnahmeposten in den
US-Tierarztpraxen. In Europa stammen nach Angaben von Professor
Horzinek 20 bis 40 Prozent der Tierarzteinnahmen aus Impfungen: "Für
die durchschnittliche Kleintierpraxis liefern Impfungen die
finanzielle Basis."
Die Sorge, dass die
Tiere nicht mehr jährlich zum Check-up gebracht werden, rechtfertigt
zwar keine überflüssigen und vereinzelt sogar schädlichen Impfungen,
das Argument ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Manche
Tiere werden nur zum Impfen zum Doktor gebracht, so dass Krankheiten
erst bei dieser Gelegenheit entdeckt und behandelt werden. Einige
Veterinäre raten daher, die Revakzinierungen nach dem neuen
Drei-Jahres-Schema jährlich versetzt zu geben. Das heisst
beispielsweise bei einer Katze mit Freigang: In einem Jahr wird
gegen Seuche und Schnupfen geimpft, im nächsten gegen Tollwut, im
Jahr darauf gegen Leukose, und dann wieder von vorn. Sinnvoller ist
es aber, wie von anderen Experten vorgeschlagen wird, die
Patientenbesitzer durch Information und Aufklärung vom jährlichen
Impftermin auf den jährlichen Gesundheits-Check "umzuerziehen".
Top:
11. Zur Sicherheit Antikörpertiter
messen?
Vereinzelt
propagieren niedergelassene Tierärzte in den USA heute statt
routinemässiger Revakzinierungen eine jährliche
Antikörpertiter-Messung. Experten halten das für nicht gerade
sinnvoll, unter anderem deshalb, weil der Antikörpertiter nicht
unbedingt einen Rückschluss auf den Immunschutz zulässt. Eine
wichtige Rolle spielt nämlich die zellvermittelte Immunität, die nur
schwer zu messen ist. Professor Wolf: "Ich wette, dass ich keine
Antikörper gegen Windpocken mehr habe, weil es viele Jahre her ist,
seit ich diese Krankheit hatte. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass
ich dagegen immer noch immun bin, denn es ist wohlbekannt, dass der
Immunschutz lebenslang andauert. Dabei ist es gleich, ob der
Immunschutz infolge einer natürlichen Infektion oder infolge einer
Impfung entstanden ist." Auch Professor Horzinek zieht zur
Erläuterung fragwürdiger Revakzinierungsintervalle den Vergleich
zwischen Mensch und Tier: "Immunität gegen Masern hält lebenslang,
und ich weiss von keinem Veterinär, der von seinem Hausarzt eine
jährliche Masernimpfung verlangt. Aber die meisten Kleintierärzte in
Europa revakzinieren Hunde jährlich gegen Staupe, und Staupe ist
nichts anderes als Hundemasern." Horzineks Worten könnte man
hinzufügen: Es dürfte auch kein Veterinär von seinem Hausarzt
irgendwelche jährlichen Antikörpertiter-Messungen für Masern, Polio
usw. verlangen.
Man muss sich einfach
mal fragen, weshalb eigentlich bei Menschen so gut wie nie
Antikörpertiter gemessen werden, um festzustellen, ob jemand eine
Auffrischungsimpfung braucht. Wenn man beim Menschen diesen Aufwand
nicht treibt, warum dann beim Haustier? Dessen Leben zählt ja nach
landläufiger Auffassung und vor dem Gesetz nicht so viel wie das
eines Menschen.
Top:
12. Ein vorläufiger
Kompromiss
In den USA bemühen
sich die Fachverbände, die Impfhäufigkeit in breiter Front auf ein
begründetes Mass zurückzuführen und das neue Schema durchzusetzen.
Die Drei-Jahres-Intervalle gemäß AAFP-Schema sind ja auch nur ein
Kompromiss, denn man weiss, dass die Impfung gegen Seuche und
Schnupfen längeren Immunschutz bietet. So betont die
Hochschulveterinärin Alice M. Wolf denn auch, dass die
Impfrichtlinien der AAFP nicht in Stein gemeisselt sind: "Es gibt
gute klinische Beweise dafür, dass eine anständige Impfung im
Welpenalter die Katze ihr ganzes Leben lang vor Panleukopenie
schützt, und es laufen derzeit Studien, die das belegen sollen.
Ähnliche Studien werden gerade gemacht oder stehen vor der
Veröffentlichung, die zeigen, dass die Staupe-Impfung ((für Hunde))
mehr als drei Jahre Immunschutz bringt." Wahrscheinlich würden die
Impfrichtlinien in der Zukunft entsprechend den neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen weiter revidiert.
Top:
13. Und was tut sich
hierzulande?
Während in den USA
über lebenslangen Immunschutz durch einmalige Impfung nachgedacht
wird, wofür jetzt schon manches spricht, erweist sich die Impfszene
in Deutschland nicht gerade als innovationsfreudig. Professor Hans
Lutz stellte Ende 1999 auf einem Tierärzte-Kongress in Nürnberg ein
eigenes Impfschema vor, ohne es allerdings näher zu begründen. Nach
seinem Impfplan sollten Katzen eine Grundimmunisierung im
Welpenalter erhalten und ab dem ersten Lebensjahr jeweils jährlich
gegen Seuche und Schnupfen vakziniert werden, bis sie drei Jahre alt
sind. Ab dann könne man die Impffrequenz bei Katzen ohne Auslauf,
die keine Kontaktmöglichkeit mit anderen Katzen hätten, "wohl
problemlos auf zwei bis drei Jahre vergrössern", so Lutz.
(Vortragsmanuskript, Nürnberg 1999). Auf welche Erkenntnisse über
die Dauer des Immunschutzes sich dieser Impfplan stützt, teilte Lutz
nicht mit.
Auch auf dem
Düsseldorfer Veterinärkongress im November 2000 waren die
Impfintervalle nur am Rande ein Thema, eine Grundsatzdebatte wurde
darüber nicht geführt. Immerhin sagte Professor Horzinek: "Die
jährliche Vakzinierung gegen alles und jedes ist eher Folklore." Er
forderte die Impfstoff-Hersteller auf, wieder
Monokomponenten-Vakzinen anzubieten, also alle Impfstoffe einzeln,
so dass jede Katze individuell und entsprechend ihrer
Risikosituation geimpft werden könne. Und Professor Pedersen stellte
klar: "Impfen ist keine ökonomische, sondern eine medizinische
Prozedur."
Top:
14. Tierarzt in der
Haftungsfalle?
Manche deutschen
Tierärzte lehnen ein neues Impfschema mit dem Argument ab, sie
müssten sich schon aus Haftungsgründen an die Hersteller-Empfehlung
halten. In den USA hat die Arzthaftung einen ganz anderen
Stellenwert als bei uns, bei Behandlungsfehlern werden viel höhere
Entschädigungen gezahlt als in Deutschland. Daher ist diese Frage
selbstverständlich auch geklärt worden, und zwar positiv für die
Anhänger einer wissenschaftlich fundierten neuen Impfpraxis. Die
wichtige American Animal Hospital Association (AAHA, Verband der
Veterinärkliniken) hat im August 1999 eine Stellungnahme zur
Haftungsfrage bei vom Beipackzettel abweichendem Gebrauch von
Vakzinen veröffentlicht. Darin heisst es: "Immer mehr
Hochschuleinrichtungen, anerkannte Experten und Praktiker empfehlen
eine reduzierte Verabreichung von Biologika bei Haustieren. Das hat
den sehr realen Vorteil, dass damit negative Nebenwirkungen und
ungerechtfertigte Ausgaben der Klienten reduziert werden. Auf der
anderen Seite gibt es ein gewisses Risiko, dass eine Krankheit bei
einem bestimmten Patienten oder einer Gruppe von Tieren auftreten
könnte, die hätte verhindert werden können. Nichtsdestoweniger
werden Abweichungen von der empfohlenen Anwendung zunehmend üblich
und in immer weiterem Umfang gebilligt und sollten daher als
akzeptierter Behandlungsstandard angesehen werden."
Tierärzte, die
weniger häufig impfen, befinden sich nach Aussagen der AAHA "in
Übereinstimmung mit der Meinung anerkannter Fachleute". Der
Berufshaftpflicht-Trust der American Veterinary Medical Association
(= größter US-Tierärzteverband) habe bestätigt, dass diejenigen
Tierärzte unterstützt und verteidigt würden, die sich nach den
weithin anerkannten Standards richteten, sofern sie sich nichts
Illegales oder Unethisches zuschulden kommen ließen. Das heisst:
Sowohl die Anhänger der herkömmlichen Richtlinien als auch die
Verfechter des neuen Impfschemas geniessen den Schutz ihrer
Berufshaftpflichtversicherung.
Top:
15. Das
Übliche kann ein Behandlungsfehler sein
In einer deutschen
Fachpublikation zur tierärztlichen Haftung schreibt der Autor Cord
Gaus: "Der Arzt ist stets verpflichtet, die nach den jeweiligen
Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft erforderliche (nicht
übliche) Sorgfalt anzuwenden." Wichtig ist in diesem Satz die
Klammer. Sie besagt, dass die "erforderliche" Sorgfalt durchaus
nicht gleichzusetzen ist mit der "üblichen" Sorgfalt. Und weiter
heisst es: "Auch der Tierarzt schuldet seinem Patienten oder besser
dem Tierbesitzer grundsätzlich die Wahl der sichersten Methode. Die
Gebräuchlichkeit eines Verfahrens reicht nicht aus zur Verneinung
eines Kunstfehlers, wenn nicht zugleich alles getan wird, was nach
den Regeln und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zur
Bewahrung des Patienten vor körperlichen Schäden getan werden muss."
Wann hätte ein Arzt also eher
Haftungsfolgen zu befürchten: Wenn eine Katze durch zu häufige
und/oder für ihre individuelle Lebenssituation überflüssige
Impfungen an einem Fibrosarkom erkrankt, oder wenn eine Katze, die
nur alle paar Jahre von ihm geimpft wird, Katzenschnupfen bekommt?
(Der auch durch eine jährliche Impfung nicht hundertprozentig zu
verhüten wäre.) Den Katzenschnupfen würde das Tier mit hoher
Wahrscheinlichkeit überleben, das Sarkom hingegen nicht. Im übrigen
können Vakzinierungen aus verschiedenen Gründen fehlschlagen: weil
noch maternale Antikörper (im Jungtier) vorhanden waren, weil der
Impfstoff nichts taugte (auch das kommt vor), weil ein neuer
Erregerstamm auftritt (gegen den die am Markt befindlichen Produkte
versagen), usw. Kein Tierarzt kann die hundertprozentige Wirksamkeit
einer Impfung garantieren, und das verlangt auch niemand von ihm.
Verlangt werden kann aber wohl, dass ein Tierarzt die neuere
Forschung zur Kenntnis nimmt und Schaden von seinem Patienten
abwendet, indem er in Übereinstimmung mit der Meinung führender
Experten ein wissenschaftlich begründetes und weniger
risikoträchtiges Impfschema praktiziert.
Top:
16. Impfen – ja, aber mit
Mass
Alle Katzen (und
Hunde) sollten ordentlich geimpft sein – aber bitte nach dem
neuesten Stand der Forschung und nicht nach über 20 Jahre alten
Schemata, denen es an wissenschaftlichen Grundlagen mangelt. Wer
seine Katzen gemäss den US-Richtlinien und nach Abwägung der
individuellen Infektionsgefahr impfen lässt, geht sicherlich kein
Risiko ein, denn die Katzen diesseits und jenseits des Atlantiks
haben die gleiche Physis.
Jede/r Tierhalter/in
kann über die Art und Häufigkeit von Vakzinierungen selbst
bestimmen, denn es gibt bei uns keine Impfpflicht für Haustiere.
Einzig bei Tollwut tritt der Gesetzgeber auf den Plan: Wenn in einer
Gegend Tollwut auftritt, können ungeimpfte Katzen oder Katzen, deren
Tollwut-Impfung länger als ein Jahr zurückliegt, von Amts wegen
getötet werden, egal ob sie infiziert sind oder nicht. Auf
Tollwutschutz sollte man daher nicht verzichten, wenn ein
Infektionsrisiko anzunehmen ist. (Es wäre schön, wenn sich die
Tierärzteschaft wenigstens dafür einsetzen würde, dass auch
hierzulande die Drei-Jahres-Vakzinen zugelassen und entsprechend von
den Veterinärbehörden anerkannt werden.) Auch wer sein Tier in einer
Tierpension unterbringen will, muß wohl oder übel nachimpfen lassen.
Aber sonst hat man freie Hand, und das sollte man auch nutzen.
Top:
Zum Schluß noch ein Wort von
Professor Ronald D. Schultz:
"Meine eigenen
Haustiere werden als Welpen ein- oder zweimal geimpft und dann nie
wieder, mit Ausnahme der Tollwut-Impfung, die alle drei Jahre
gegeben wird, seit ein Drei-Jahres-Produkt erhältlich ist. Ich
verfahre nach diesem Programm seit 1974, und es ist weder bei meinen
Haustieren noch bei den Haustieren meiner Kinder und Enkel jemals
eine Infektionskrankheit aufgetreten."